Die Rolle von PAs im medizinischen Bereich gewinnt zunehmend an Bedeutung. Eine der aktuellen und oft umstrittenen Fragen betrifft die Erlaubnis für PAs, Hautunterspritzungen mit Hyaluron oder Hyaluronidase durchzuführen. Diese Tätigkeit ist nicht nur rechtlich komplex, sondern auch fachmedizinisch anspruchsvoll und Gegenstand verschiedenster Vorschriften. Die Meinungen darüber, ob PAs diese Leistung erbringen dürfen, gehen weit auseinander. Im Folgenden wird untersucht, inwiefern eine jüngst ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs („BGH“)(1) Klarheit in die Delegationsmöglichkeit dieser Aufgabe an PAs bringt.
I. Arztvorbehalt
Die heilkundliche Tätigkeit ist gemäß § 1 Heilpraktikergesetz Ärzten und Heilpraktikern (letzteren nur nach Erlaubnis) vorbehalten. Grundsätzlich hat der Arzt alle Leistungen – auch um dem Arztvorbehalt zu entsprechen – höchstpersönlich zu erbringen (§ 630b i.V.m. § 613 BGB).(2) Die Fragen, welche Aufgaben von einem Arzt delegiert werden können und welche Qualifikationen derjenige haben muss, der solche Leistungen erbringt, sind grundsätzlich eine fachmedizinische Angelegenheit.(3) Es besteht Konsens darüber, dass der sogenannte Kernbereich ärztlichen Handelns, zum Beispiel die Hauptoperationsleistung, nicht an Nicht-Ärzte delegiert werden darf.(4) Die zentrale Fragestellung, die sich im Kontext der aktuellen Rechtsprechung des BGH ergibt, besteht darin, ob die in Diskussion stehende Unterspritzung als eine „Hauptoperationsleistung“ zu qualifizieren ist.“
II. Delegationsvorgaben für PA
Inwiefern Unterspritzungen der Haut mit Hyaluron oder Hyaluronidase an PAs delegiert werden dürfen, ist umstritten und hängt von den landesrechtlichen Regelungen ab. Klarheit bringen weder die Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen an nichtärztliches Personal (Anlage 24 zum BMV-Ä)(5) noch das Konzeptpapier der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer „Physician Assistant – ein neuer Beruf im deutschen Gesundheitswesen“ („Konzeptpapier“)(6) oder das Positionspapier der Bundesärztekammer. (7)
Das Konzeptpapier aus 2017 führt unter anderem aus:
„2.1 Unterstützung und Entlastung des Arztes
[…]
c) Delegierbare patientenbezogene Tätigkeiten
Die PA können für allgemeine und spezifischen Tätigkeiten in verschiedenen Bereichen, wie z.B. in der Chirurgie, der Inneren Medizin, der zentralen interdisziplinären Notaufnahme, der Anästhesie und der Intensivmedizin, der Funktionsdiagnostik, im allgemeinmedizinischen Bereich sowie weiteren Bereichen eingesetzt werden.
Die Aufgabenzuweisung an den PA erfolgt dabei den Grundsätzen der Delegation.“ [Hervorhebung nur hier]
Ferner wird unter Kompetenzen mit Kompetenzebenen wie folgt ausgeführt:
3. Mitwirkung bei der Ausführung eines Behandlungsplans
Darüber hinaus wird auch die Mitwirkung bei Eingriffen beschrieben, wobei die Durchführung von Unterspritzung der Haut mit Hyaluron oder Hyaluronidase nicht explizit genannt ist. Dem Konzeptpapier kann weder eindeutig entnommen werden, dass eine Delegation der Durchführung von Unterspritzungen möglich ist, noch lässt sich das Gegenteil feststellen.
Nach dem jüngst ergangenen Positionspapier der Bundesärztekammer ergeben sich zukünftig zum einen Standards für die Ausbildung und den Abschluss des Studiums und zum anderen ein dreistufiges Kompetenzmodell, das nach Grund-, erweiterten und speziellen Kompetenzen differenziert.(8) Bei den erweiterten und speziellen Kompetenzen sind auch bestimmte einfache chirurgische Eingriffe genannt wie Wundversorgung (Reinigung, Entfernung von abgestorbenem Gewebe (Debridement), Nähen und Verbandlegung kleinerer Wunden) und Inzision und Drainage (Management von Drainagen und Stomata an verschiedenen Organsystemen). Hieraus lässt sich ableiten, dass zukünftig die Delegation auch diese (invasiven) Tätigkeiten umfassen kann. (9)
Sofern Unterspritzung der Haut mit Hyaluron oder Hylauronidase ebenfalls von der Kompetenz des PAs erfasst sind, sind sie jedenfalls nicht ausdrücklich genannt und im Gesamtkontext eher als spezieller chirurgischer Eingriff zu werten. Maßgeblich für die Delegierbarkeit wird daher sein, ob es sich bei der Unterspritzung um ein für den PA voll beherrschbares Risiko (nach Erwerb der entsprechenden Kompetenz) handelt. Dies kann nur fachmedizinisch entschieden werden.
III. Änderung der Delegationsvorgaben nach dem Urteil?
Nunmehr könnte sich durch das im Juli ergangene Urteil des BGH Klarheit ergeben.(10) Der BGH hat dabei entschieden, dass eine Unterspritzung der Haut mit Hyaluron oder Hyaluronidase als „operativ plastisch-chirurgischer Eingriff“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c HWG zu werten ist. Die Einordnung als „operativ plastisch-chirurgischer Eingriff“ könnte nach der obigen Definition des ärztlichen Kernbereichs, wozu auch die Durchführung der Haupt-OP-Leistung gehört, somit eine endgültige Absage an die Durchführung der vorgenannten Unterspritzung durch PAs sein.
Für einen solchen Rückschluss ist aber zunächst notwendig, den Regelungscharakter des Heilmittelwerbegesetz („HWG“), dessen Auslegung der Norm hier in Rede stand, zu kennen. Angeprangert wird ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c HWG. Das HWG hat das Ziel, die Werbung für Arzneimittel, Medizinprodukte sowie Verfahren und Behandlungen zu regulieren. Es soll den Verbraucherschutz fördern und die öffentliche Gesundheit schützen, indem irreführende Werbung verhindert wird. Das Gesetz dient somit einem wichtigen Gemeinwohlzweck und ist darauf ausgelegt, gesundheitliche Schäden und Risiken zu vermeiden.
Damit hat das HWG eine andere Zielsetzung; es geht ihm nicht um die Regelung der Delegationsmöglichkeiten von Ärzten. Eine entsprechende Einordnung als „operativ plastisch-chirurgischer Eingriff“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. c HWG hat somit nicht zwingend die Einordnung als „Haupt-OP-Leistung“ im Sinne des Arztvorbehalts zur Folge. Allerdings kann der Einordnung zumindest Indizwirkung zukommen, so dass nicht ausgeschlossen ist, dass diese Einordnung nach dem HWG in einem streitigen Delegations-Fall vor Gericht übernommen wird.
Allerdings wurde weiter festgestellt, dass einfache chirurgische Eingriffe nach dem neuen Positionspapier auch vom PA durchgeführt werden dürfen. Die in Rede stehende Frage ist daher (weiterhin), ob es sich bei der vorgenannten Injektion um einen einfachen Eingriff handelt, der vom PA im Rahmen der erweiterten und speziellen Kompetenzen erlernbar ist.
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich auch nach dem vorgenannten BGH-Urteil keine eindeutige Klarheit über die Delegationsmöglichkeit von Unterspritzungen der Haut mit Hyaluron oder Hyaluronidase an PAs ergibt.
Dies war ein Gastbeitrag,
Über die Autorin
Dr. Marina Schulte ist Expertin im regulatorischen Gesundheitsrecht mit Schwerpunkt auf Digital Healthcare und Künstliche Intelligenz (KI). Sie berät Gesundheitsunternehmen, Start-ups, Investoren und Krankenkassen zu Fragen der Erstattungsfähigkeit digitaler Technologien, Haftungs- und Compliance-Themen sowie Preisverhandlungen im Bereich DiGA, DiPA, Wearables und Virtual Reality Tools. Neben ihrer Tätigkeit als Beraterin ist sie Lehrbeauftragte an der Hochschule Aachen, publiziert regelmäßig zu aktuellen Fragen des Gesundheitsrechts und ist als Speakerin und Podcasterin aktiv.
Quellen und Hinweisverzeichnis:
1: BGH, Urt. v. 31.07.2025 – I ZR 170/24 –, GRUR-RS 2025, 19352, Rn. 13 ff.
2: Voigt, in: beck-online.Grosskommentar, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Spickhoff, Stand 01.05.2025, BGB § 823 Rn. 1029.
3: Walter, in: beck-online.Grosskommentar, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Spickhoff, Stand 01.02.2025, BGB § 630b Rn. 22.
4: Walter, in: beck-online.Grosskommentar, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Spickhoff, Stand 01.02.2025, BGB § 630b Rn. 23; Claussen, Die Ausübung der Heilkunde durch den Physician Assistant (PA), RDG 2025, 10 (12); so auch das Konzeptpapier „Physician Assistant – ein neuer Beruf im deutschen Gesundheitswesen“, unter Nummer 3., siehe unten.
5: https://www.kbv.de/documents/infothek/rechtsquellen/bundesmantelvertrag/anlage-24-delegation/24_Delegation.pdf, zuletzt aufgerufen am 21.08.2025.
6: https://120daet.baek.de/attachments/1_Ib-08_Physician_Assistant_Anlage_PA-Papier.pdf?t=1750657333, zuletzt aufgerufen am 22.08.2025.
7:https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Gesundheitsfachberufe/Physician_Assistance_Papier_.2025_.pdf, zuletzt aufgerufen am 21.08.2025. Die KBV war hieran nicht beteiligt.
8: Bei der weiteren Abhandlung wird im Folgenden davon ausgegangen, dass der PA die im Positionspapier beschriebenen Kenntnisse in seiner akademischen Laufzeit erlangt hat.
9: So auch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie eV (DGU) bereits vor Erlass des Positionspapiers, gemäß Reuther, in: Rieger/Dahm/Katzenmeier/Stellpflug/Ziegler, Heidelberger Kommentar Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, 76. Lieferung, 2/2019, 1360 Delegation ärztlicher Leistungen, Rd-Nr. 50.
10: BGH, Urt. v. 31.07.2025 – I ZR 170/24 –, GRUR-RS 2025, 19352, Rn. 13 ff.