In den letzten Jahren ist die Zahl der Hochschulen, die einen Studiengang für Physician Assistants anbieten, in Deutschland stetig gewachsen. Parallel dazu entstehen zunehmend neue akademische Ausbildungswege für medizinische Berufe, die im Rahmen der ärztlichen Delegation Aufgaben in verschiedenen Versorgungssituationen übernehmen sollen. Beispiele hierfür sind der Primary Care Manager (PCM) oder die Community Health Nurse (CHN).
Doch stellt diese Entwicklung eine Konkurrenzsituation für Physician Assistants dar – oder beschleunigt sie möglicherweise sogar die Implementierung von PAs in Deutschland?
Vielfalt stärkt den Wandel
Tatsächlich ist bislang keine Konkurrenz zwischen den neuen Berufsbildern und dem Physician Assistant zu beobachten. PCM und CHN verfolgen andere Schwerpunkte in der Behandlung und Versorgung: Während der PA vor allem die ärztliche Versorgung direkt unterstützt, liegt der Fokus der Community Health Nurse stärker auf Prävention und Gesundheitsförderung im sozialen Umfeld. Primary Care Manager wiederum setzen Akzente in der Koordination und Organisation der Patientenversorgung.
Dass verschiedene akademische Gesundheitsberufe entstehen, stärkt den Wandel hin zu einer multiprofessionellen, teambasierten Versorgung. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener spezialisierter Berufsgruppen bietet das Potenzial, Patienten noch umfassender und bedarfsgerechter zu versorgen.
Synergieeffekte in der Interessenvertretung
Neben der verbesserten Patientenversorgung eröffnen sich auch strategische Vorteile: Eine gebündelte Interessenvertretung gegenüber Krankenkassen, Politik und Kostenträgern könnte helfen, die Refinanzierung akademischer Gesundheitsberufe sowohl in der ambulanten Abrechnung als auch in der stationären Krankenhausfinanzierung zu sichern. Dies ist ein zentrales Thema, denn fehlende Refinanzierungsmodelle zählen aktuell zu den häufigsten Gründen, warum geplante Einstellungen von Physician Assistants scheitern.
Wie erfolgreich eine solche Integration sein kann, zeigt ein Blick nach Baden-Württemberg: Im Rahmen der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) wurde dort eine Pauschale für akademisierte Gesundheitsberufe eingeführt. Dieses Modell führte zu einem signifikanten Anstieg von PA-Stellen in Hausarztpraxen und verbesserte die Gehaltsstruktur für Physician Assistants nachhaltig. Von dieser Pauschale profitieren aber nicht nur PAs, sondern auch Berufsbilder wie der PCM – ein gelungenes Beispiel für Synergieeffekte.
Jeder Beruf braucht ein klares Profil
Trotz aller Gemeinsamkeiten bleibt es essenziell, dass jedes Berufsfeld ein klares, individuelles Einsatz- und Ausbildungskonzept entwickelt. Nur wenn Aufgabenbereiche, Kompetenzen und Qualifikationen eindeutig definiert sind, können Arbeitgeber, Gesundheitseinrichtungen und Studierende die spezifischen Vorteile und Unterschiede erkennen und entsprechend einsetzen.
Wo PA draufsteht, muss PA drin sein
Ebenso wichtig ist die klare Abgrenzung der Ausbildungswege. Ein Studium im Bereich Community Health Nursing oder Primary Care Management sollte nicht dazu führen, dass Absolventen sich später als „Physician Assistant“ bezeichnen. Jeder dieser Berufe hat seinen eigenen Fokus und eine spezifische Rolle im Gesundheitswesen.
Auch auf Nachfrage bei den zentralen Verbänden wird deutlich: Der Deutsche Hochschulverband Physician Assistant (DHPA) wird künftig nur noch Studiengänge aufnehmen, die den Titel „Physician Assistant“ tragen. Wörtlich heißt es:
„In der Satzung ist die Formulierung „Physician Assistant“, ,,Arztassistenz“ oder „gleichartige“ dem Umstand geschuldet, dass bei Gründung 2018 die Namensgebung noch im Fluss schien. Inzwischen hat sich „Physician Assistant“ durchgesetzt, so dass der DHPA keine Studiengänge mit anderen Namen mehr aufnehmen wird. Inhaltlich greifen die Empfehlungen der BÄK/KBV und des DHPA, stark abweichende Schwerpunkte wie bei den neuen Studiengängen passen ebenfalls nicht in das Profil der Hochschulen des DHPA. “
Auch die Deutsche Gesellschaft für Physician Assistants (DGPA) positioniert sich klar:
„Die Tätigkeit eines Physician Assistant kann nur von Personen ausgeübt werden, die einen entsprechenden Studienabschluss in Physician Assistance erworben haben. Die DGPA setzt sich für die klare Definition und Anerkennung des Physician Assistant ein und steht in regelmäßigem Austausch mit politischen und beruflichen Entscheidungsträgern.“
Die zunehmende Sichtbarkeit akademischer medizinischer Assistenzberufe bietet große Chancen, die Bedeutung multiprofessioneller Teams im Gesundheitswesen weiter herauszustellen. Gleichzeitig ist es für den Physician Assistant unerlässlich, die eigene Profession weiter zu schärfen, sich inhaltlich abzugrenzen und rechtlich abzusichern. Eine klare Profilierung wird entscheidend sein, um den langfristigen Erfolg und die Anerkennung des Berufs sicherzustellen – im Krankenhaus, in der Praxis und darüber hinaus.