Schock in Großbritannien: BMA fordert Einstellungsstop von Assistenzberufen

BMA fordert Einstellungsstop von Assistenzberufen

Die British Medical Association hat einen sofortigen Einstellungsstopp für Medizinische Fachangestellte (Medical Associate Professionals, MAPs) im Vereinigten Königreich gefordert, einschließlich Physician Associates (PAs) und Anaesthesia Associates (AAs).

Die British Medical Association ist eine britische Ärzteorganisation und -gewerkschaft, sowie Herausgeber des ”British Medical Journals”.

Verschiedene Ärzt:innen aus Großbritannien, die den britischen Rat der BMA bilden, haben einen Antrag verabschiedet, der den Einstellungsstop aus Gründen der Patientensicherheit fordert. Das Moratorium soll so lange gelten, bis die Regierung und der National Health Service, (NHS = Staatlicher Gesundheitsdienst), Garantien für eine angemessene Regulierung und Beaufsichtigung von MAPs geschaffen haben. Der BMA beruft sich dabei auf Patientenfälle. Wie viele es wirklich sind, welche konkreten Probleme vorlagen und wie viele Physician Assistants oder andere Berufe beteiligt waren, bleibt in dem aktuellen Statement der BMA zunächst unklar.

„Die Bedenken der BMA bezüglich der Patientensicherheit auf nationaler Ebene in Großbritannien sind natürlich in einer konstruktiven Diskussion zu berücksichtigen. Die Einführung neuer Rollen im Gesundheitssystem erfordert immer klare Definitionen und robuste Regulierungen. Es ist entscheidend, dass die Öffentlichkeit ein differenziertes Verständnis für die Rollen und Fähigkeiten von PAs entwickelt. Allerdings sollten wir unsere Haltung gegenüber PAs nicht aufgrund einzelner tragischer Vorfälle in Großbritannien prägen lassen. Es ist wichtig, alle Faktoren zu berücksichtigen und die weitreichenden Vorteile akademisch ausgebildeter Fachkräfte in der Patientenversorgung und im Gesundheitswesen zu analysieren. Die medizinische Welt verändert sich stetig – technologischer Fortschritt, wachsender Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und demographischer Wandel erfordern flexible, innovative Lösungen. In diesem Zusammenhang kann der Einsatz von akademisch ausgebildeten Fachkräften Bestandteil einer Strategie für den zukünftigen Gesundheitssektor sein. Ärzte tragen dabei eine große Verantwortung: Sie sollten bewusst die Rolle akademisierter Gesundheitsfachberufe mitgestalten. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass PAs bereits gezeigt haben, dass sie zur Verbesserung der Patientenversorgung beitragen können. Was nun benötigt wird, sind gezielte Maßnahmen zur Regulierung und Aufklärung, um Unsicherheiten auszuräumen und das volle Potenzial dieser Fachkräfte auszuschöpfen.“

Prof. Dr. Marcus Hoffmann, 1. Vorsitzender der European Physician Assistant Collaboration e.V. (EuroPA-C)

Der Deutsche Hochschulverband Physician Assistant sieht die Diskussion seitens der BMA nicht als faktenbasiert und mehr als eine Kampagne gegen die Physician Assistants.

„Der DHPA nimmt mit Bedauern und Unverständnis zur Kenntnis, dass in den letzten Monaten vor allem auf sogenannten Social Media Plattformen polemische, unsachliche und persönliche Angriffe gegen einzelne PA, Lehrpersonen und das Berufsbild im Allgemeinen publiziert wurden. Die BMA hat als Gewerkschaft aus der Sicht des DHPA kein Mandat bei der gesetzlichen Regulierung von PA. Wir rufen unsere Kollegen der BMA im UK auf, zu einer sachlichen, konstruktiven und faktenbasierten Diskussion zurückzukehren, die das unstrittige Potential des PA für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung respektiert.“

Prof. Dr. Hans Peter Heistermann, Vorstandsvorsitzender Deutscher Hochschulverband Physician Assistant e.V. (DHPA)

Wie sehen die Konsequenzen aus? 

Die British Medical Association hat keinerlei Autorität zur Machtausübung gegenüber der Physician Assistants oder der Kliniken. Trotzdem ist die Stimme der BMA als Ärzteorganisation, die seit 1870 besteht und über 145.000 Mitglieder hat, eine Meinung die grundsätzlich Gehör findet und nach denen sich einige richten werden. Inwieweit sich die Arbeitgeber der Physician Assistants daran orientieren bleibt offen. Physician Assistants spielen in Großbritannien eine wichtige Rolle im Gesundheitssystem, daher ist es fraglich, ob die Arbeitgeber auf diese wesentliche Ressource verzichten und aktuelle vakante Stellen nicht besetzen werden. Letztendlich sind aktuell die berufspolitischen Akteure in Großbritannien gefordert, die Bedenken der BMA auszuräumen, das generelle Qualitätssystem rund um die Physician Assistants und anderer Gesundheitsberufe zu prüfen sowie gegebenenfalls zu erweitern.
Ein Schritt, der in Deutschland ebenfalls noch dringend nötig ist.

Die Deutsche Gesellschaft für Physician Assistants e.V. spricht sich klar für mehr Einheitlichkeit der Studiengänge aus.

„Die Forderung nach einem bundesweit einheitlichen Curriculum für den Bachelorstudiengang Physician Assistant wird von der DGPA seit Amtsantritt des neuen Vorstandes 2021 unterstützt. Auch die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben bereits 2017 in ihrem Papier „Physician Assistant – Ein neuer Beruf im deutschen Gesundheitswesen“ diese Notwendigkeit betont. Es ist an der Zeit, diese Forderung verpflichtend umzusetzen!“

Aike L. Abeln – Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Physician Assistants e.V. (DGPA)

Ein mahnendes Beispiel für Deutschland?

Auch in Deutschland wäre eine solche Situation denkbar, aber aktuell wohl eher unrealistisch. Das derzeitige Geschehen in Großbritannien zeigt, wie wichtig die berufspolitische Zusammenarbeit mit Berufsverbänden anderer Professionen ist. Die DGPA e.V. setzt seit ihrer Neuausrichtung 2021 auf eine enge Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer und weiteren wichtigen Institutionen. Neben der Berufspolitik ist aber auch die Hochschulpolitik und die damit verbundene Ausbildungsqualität ein wichtiger Baustein für die Etablierung und Sicherung des Berufsbildes in Deutschland. Bei genauerer Betrachtung der Hochschulpolitik, ergibt sich jedoch leider das Bild eines nicht einheitlich geregelten Studiengangs. Regeln, Vorgaben oder einheitliche Standards fehlen in der Hochschulpolitik. Bereits 2017 empfahl und forderte die Bundesärztekammer zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung eine einheitlich geregelte Ausbildung. Der 2018 gegründete Hochschulverband (DHPA) spricht zwar von der Existenz eines Basiscurriculums, trotzdem unterscheiden sich die Studiengänge hinsichtlich Dauer, Inhalte, Praxis-Logbücher, Lehre, ECTS oder Zugangsvoraussetzungen stark. Maßnahmen zur einheitlichen Qualitätssicherung werden lediglich durch eine Selbstverpflichtung der Hochschulen geregelt. Eine Kontrolle der Umsetzung, Einhaltung oder tatsächlichen Qualität findet nicht statt.

Mittlerweile haben sich die primärqualifizierenden Studiengänge in Deutschland fest etabliert und besonders durch die staatlichen Hochschulen ein hohes Ansehen erworben. Der immer größer werdende Hochschulmarkt treibt die Hochschulen jedoch zu immer mehr Differenzen. Neue Fernstudiengänge ohne praktischen Hochschulunterricht oder kaum interaktive Lehrveranstaltungen werden in den Hochschulverband aufgenommen. Auch die anerkennbaren Vorausbildungen zur Verkürzung des Studiums wurden und werden weiterhin an verschiedenen Hochschulen ausgeweitet. So wird aktuell auch die Vorausbildung zu Podolog:innen, Veterinärmedizinische Fachangestellten, Masseur:innen und medizinischen Bademeister:innen anerkannt. Fraglich ist, ob diese Ausbildungen ausreichend vorbereiten, um einen humanmedizinischen Beruf zu ergreifen und auf demselben Niveau wie Notfallsanitäter:innen oder Gesundheits- und Krankenpfleger:innen betrachtet werden sollten.

Dieses Jahr führte der Hochschulverband (DHPA) sein erstes zentrales schriftliches Examen durch. Die Teilnahme an dem Examen war für die Hochschulen sowie deren Studierende freiwillig. Auch wenn das Projekt fortgeführt werden soll, ist aktuell keine verpflichtende zentrale Abschlussprüfung in theoretischer oder praktischer Form geplant. Der Hochschulverband hofft, dass die Hochschulen ihrer Selbstverpflichtung nachkommen.

Im Rahmen der Hochschulpolitik gibt es also in vielen Punkten dringenden Nachholbedarf. Anderenfalls wird es enorm schwer eine Berufspolitik für alle Physician Assistants zu erarbeiten und kritische Stimmen auszuräumen.

2 Antworten

  1. Sehr geschätzte Kolleg*innen,
    Behandlungsfehler gibt es ständig und überall. Sie sind nicht zu vermeiden und unabhängig vom Berufsbild. Die aktuelle Studienlage gibt Grund zur Annahme, dass sich vermeidbare Behandlungsfehler unter den Top 10 Todesursachen in den Industrienationen befinden.
    Ein propagandistisches Herausarbeiten von Einzelfällen kann jeden Berufsstand in das falsche Licht stellen.
    Nach meiner Meinung ist das Vorgehen der BMA ein unsachlicher, berufspolitischer Versuch, den konservativen Stand der Ärzteschaft im Gesundheitswesen zu verteidigen.
    Mit der gleichen plakativen und unsachlichen Herangehensweise lassen sich schnell auch Fehler durch Ärzte zu einem Bild des Grauens formen.
    Objektiv betrachtet zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass PA Versorgungen keine bis unwesentliche Unterschiede im Vergleich zur rein ärztlichen Versorgung aufweisen, was die Qualität betrifft.
    Von daher: Bevor diskutiert wird, sollte man sich mit dem Stand der Forschung auseinandersetzen. Dieser stimmt nicht mit den Aussagen der BMA überein.
    Beste Grüßen und bleibt gesund

  2. I hope you will forgive me for writing in English but I did not want Rechtschreibfehler to detract from what I would like to share.

    As background, I am a Dutch doctor who did most of his training in the UK and is a qualified GP both in the UK as well as in Germany with extensive clinical and health service management experience.

    I have experience in training both medical clinicians as well as para-medical professionals, such as nurses and paramedics for work in non-traditional roles, to assess and treat patients in a multitude of settings. I partake in the training of a PA in my own practice here in Germany.

    Although PAs are employed both in the UK and in Germany, other than their job-title there is very little that both positions and roles have in common with each other. And that is just the role, both the set up of the health system as well as the culture on both sides of the English Channel are very different.

    This is reflected in the patient journey and experience. At the time of writing more than 12% of the UK population is on a waiting list for essential medical treatment, that includes delays for investigating, initial and follow up treatment for cancer diagnosis.

    This is primary due to a lack of severe under-resourcing of the UK health service over more than decade. There is a shortage of several tens of thousands clinicians in the UK.

    In light of these shortages hospital rosters (Dienstpläne) have been filled with PAs where people at the level of Registrars (equivalent to Oberärzte in role and experience) should have been on duty. This means that they have been working without direct clinical supervision.

    This has lead to situations where patients have been misdiagnosed and their conditions mismanaged with on occasion disastrous consequences.

    Against that background we have to understand the concerns of the clinicians and the BMA.

    It is always good to learn from others and it would be unwise not to consider whether a similar situation could not arise here in Germany.

    For now I am convinced that the situation in relation to PAs in Germany is so much different (they can here not work unless under direct supervision with only being able to do a limited number of treatments and they are carefully selected, it is unlike that we will get to the UK situation.

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