In diesem Interview berichtet Victoria, Physician Assistant auf einer hämatologisch-onkologischen Station der Kinderklinik an der Charité in Berlin, über ihren Berufsalltag. Mit ihrem Schwerpunkt auf Stammzelltransplantationen und der Arbeit mit jungen Patient:innen und deren Familien gibt sie einen Einblick in die Anforderungen und Möglichkeiten ihres Arbeitsfelds.
Victoria erklärt, warum sie sich für das Studium entschieden hat, beschreibt ihren Weg zur aktuellen Position und reflektiert über die Inhalte ihres Studiums an der Steinbeis Hochschule. Sie schildert die praktischen Aufgaben ihrer Tätigkeit, die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen und den Umgang mit herausfordernden Situationen in der Kinderonkologie.
Dieses Interview zeigt, wie abwechslungsreich die Arbeit einer Physician Assistant ist und wie wichtig fachliche Kompetenz, Eigeninitiative und Teamarbeit in diesem Beruf sind.
Warum hast du dich für das Studium zum/r Physician Assistant entschieden?
Weil ich medizinisch mehr Verantwortung übernehmen und näher an den Patient:innen arbeiten wollte, natürlich spielt der finanzielle Aspekt auch eine nicht ganz unerhebliche Rolle.
Fühltest du dich gut vorbereitet auf deine jetzige Tätigkeit?
Ich arbeite seit 5 Jahren in der Kinderklinik der Charité auf einer hämatologisch/onkologischen Station mit Schwerpunkt Stammzelltransplantation. Da dies ein sehr spezielles Fachgebiet ist, war das kein besonders großer Teil im Studium. Wir haben sowohl Onkologie als auch Transplantationsmedizin angerissen, aber natürlich hätte alles andere sicher den Rahmen gesprengt. Daher hieß es für mich, wie sicher auch für viele andere Learning by Doing. Da ich im Studium noch teilweise auf der Station gearbeitet habe, konnte ich hier schon gut eingearbeitet werden.
Wenn nein, welche Inhalte hättest du dir noch gewünscht?
Ich habe an der Steinbeis Hochschule in Berlin studiert und hätte mir generell mehr praktische Anwendungen gewünscht, sowas wie Nahtkurse, Sonographie, einfach mehr Hands on Tätigkeiten.
Wie kamst du zu deiner aktuellen Stelle?
Ich habe vor einigen Jahren angefangen Patient:innen ehrenamtlich zu besuchen und habe zu der Zeit noch als Pharmazeutisch-Technische- Assistentin woanders gearbeitet. Dann habe ich die Charité via Social Media kontaktiert und war die erste PTA hier. Danach bin ich auf ein Stipendium inklusive einer unbefristeten Stelle für das PA Studium aufmerksam gemacht worden und so nahmen die Dinge ihren Lauf.
Wie sieht dein normaler Arbeitsalltag aus?
Von 07:30- ca. 16:00 Uhr meist.
Statuserhebung der Patient:innen, Dokumentation, Knochenmark/- und Lumbalpunktionen auf Station und im OP, Erstellung und Kontrolle von Medikationsplänen, Asservierung und Versand von Probenmaterial, Begrüßungs- und Entlassungsgespräche, Anleitung der Eltern zur Medikamentengabe, sowie allgemeine Instruktionen zu Hygiene, Ernährung etc., Vorbereitung der Epikrisen sowie Kostenübernahmeanträge. Legen von Zugängen, Blutentnahme am Kathteter und peripher. Unterstützung in der Sprechstunde in unserer Nachsorgeambulanz.
Kinderonkologie erfordert sehr Einfühlungsvermögen und bedeutet auch Elternarbeit, das macht mir besonders Spaß und vor allem auch den Weg ein ganzes Stück mit begleiten zu dürfen, denn unsere Patient:innen sind meist 2-3 Monate, wenn nicht sogar länger bei uns. Das Schöne daran ist, den meisten können wir mit einer Stammzelltransplantation die Chance geben weiter leben zu können.
Konntest du die praktischen Fähigkeiten bereits vor Antritt der Stelle oder wurden sie dir beigebracht?
Sie wurden mir bereits während meines Studiums beigebracht
Gibt es Aufgaben die du außerhalb deiner Routinetätigkeiten erledigst?
Ich leite immer wieder eine Fortbildung für die Assistenzärzt:innen im Umgang mit ZVKs, insbesondere Broviac- und Hickman Katheter, des Weiteren bin ich seit kurzem dezentrale Beauftragte für Antidiskriminierung und Geschlechtergerechtigkeit in der pädiatrischen Hämatologie/Onkologie und unterstütze hin und wieder das Personalmarketing im Socialmediabereich.
Welche Qualifikationen sind deiner Meinung nach wichtig für einen Physician Assistant?
Vor dem Hintergrund, dass unser Berufsbild nach wie vor noch relativ neu in Deutschland ist, sollte man schon eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit mitbringen. Man sollte gut für sich einstehen können ohne sich zu überschätzen und neugierig bleiben.
Wie kam das Berufsbild bei anderen Berufsgruppen an?
Ärztliche Kolleg:innen waren oft sehr offen dafür und teilweise auch skeptisch, dass wir den Assistenzärzt:innen die Ausbildung wegnehmen könnten, oder am Ende doch alles doppelt gemacht wird. Aber wir haben hier bei uns im Team eine sehr gute Kommunikation, wir sprechen uns einfach ab, wer welche Aufgabe übernimmt und ich bin neben den Rotant:innen und den oberärztlichen Kolleg:innen ja konstant da und trete gern zurück, wenn etwas geübt werden muss. Alles in allem, hat sich das Berufsbild hier wirklich effizient und gut etablieren können.
Strebst du einen Masterstudiengang an?
In etwas fernerer Zukunft könnte ich mir vorstellen noch Medizinpädagogik zu studieren um dozieren zu können.
Hast du eine Zukunftsvision für das Berufsbild?
Ich wünsche mir, dass wir noch besser integriert werden und mehr Verantwortung bekommen, damit beispielsweise auch in den Praxen im ländlichen Bereich mehr Unterstützung zu fairen Löhnen angeboten werden kann um etwaige Versorgungslücken schließen zu können.
Generell fände ich eine bessere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Disziplinen wünschenswert. Meine Vision ist ein Qualifikationsmix der zu höherer Patient:innensicherheit und Zufriedenheit beträgt, wo Wissen adäquat weitergegeben wird und alle an einem Strang ziehen.
Welche Empfehlung kannst du PA-Studierenden geben?
Seid selbstbewusst was eure Fähigkeiten angeht und überschätzt euch nicht! Können heißt nicht dürfen und dürfen heißt nicht können!
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