Es beginnt bei „Schätzchen“, „Mäuschen“ oder „Kleine“ und endet nicht selten mit mehr oder weniger „zufälligen“ Berührungen. Sexismus im Klinikalltag ist gerade für junge Studierende ein wichtiges und häufig verunsicherndes Thema. Fragen wie: Bin ich zu empfindlich? Muss ich mir das gefallen lassen? Welche Konsequenzen kann es geben? – schießen einem unweigerlich durch den Kopf.
Oft ist man auf die Gunst des Oberarztes/der Oberärztin angewiesen. Sie entscheiden, wer die erste oder zweite Assistenz im OP macht bzw. mit welchen Aufgaben man sonst so betraut wird. Also lässt man doch häufig den ein oder anderen sexistischen Witz über sich ergehen. So wird das Problem nur leider niemals im Keim erstickt.
Eine Studie der Charité zeigt, dass 76 Prozent der befragten Frauen und 62 Prozent der Männer an der Charité angeben, schon sexuell belästigt worden zu sein. Wobei Hierarchien hier eine große Rolle spielen.
Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass ich am ersten Tag eines zweiwöchigen Praxiseinsatzes ein unmoralisches Angebot eines ärztlichen Kollegen bekam. Ich lehnte lächelnd ab, während sich mir der Magen umdrehte. Je länger ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich wütend nicht vehementer reagiert zu haben, wütend über den Mangel an Respekt und professioneller Distanz, der mir entgegengebracht wurde, wütend über den Gedanken, wie es wohl mir wohl ergangen wäre, wäre ich ein Mann. Natürlich sprechen 62 Prozent auch eine deutliche Sprache, dennoch fühlte ich mich machtlos.
Ich überlegte, wie sich wohl die kommenden zwei Wochen gestalten würden, wie unangenehm es sein könnte und ob mich der Kollege nun vielleicht auflaufen lässt. Es gab also nur zwei Möglichkeiten, das Ganze weg zu schweigen oder sachlich anzusprechen.
Ich entschied mich für Zweiteres. Machte meinem Kollegen klar, wie es sich für mich, die auf seine Expertise und Professionalität angewiesen ist, anfühlt, gleich am ersten Tag meines Einsatzes in so eine Situation gebracht zu werden. Ich sagte ihm, dass es Frauen gibt, die von so einem Verhalten schlimm getriggert werden können, denken, sie müssten sich auf so ein Angebot einlassen oder ohne das persönliche Gespräch zu suchen zum Betriebsrat oder zur Frauenbeauftragten gehen. Mit großen Augen sah er mich an und fragte, wie er denn sonst jemanden kennenlernen solle und ob das wirklich so plump rüberkam.
Es geht aber nicht um die Art und Weise, sondern darum, dass es überhaupt passiert und etwas mit einem macht. Mir ist völlig klar, dass sich viele Menschen am Arbeitsplatz kennen und lieben lernen. Was jedoch in meinen Augen eher ein schleichender Prozess ist und keine Einladung auf einen Quickie nach Feierabend, nachdem man sich fünf Stunden kennt. Also nein, das wird man wohl nicht mehr fragen dürfen und es gibt mannigfaltige andere Möglichkeiten, Menschen kennenzulernen.
Am Ende hat er sich entschuldigt und ich war froh, es angesprochen zu haben. So konnte ich in den kommenden zwei Wochen noch mehr dazu lernen, als das ein Mann sich mal wieder das Machtgefälle zunutze machen wollte. Außerdem hoffe ich, dass auch er seine Take Home Message verstanden hat und ich hiermit vielleicht andere motivieren kann, den Mund aufzumachen. Sei es direkt oder auf einer höheren Eskalationsstufe. Fest steht, wir können diese Dinge nicht einfach so stehen lassen.
Erkundige Dich unter anderem über Sexismus im Klinikalltag: https://www.fem-med.org