Immer mehr angehende Physician Assistants in Deutschland entscheiden sich für ein berufsbegleitendes Studium, oft in enger Kooperation mit einem Arbeitgeber. Dieser übernimmt nicht selten einen Großteil oder sogar die gesamten Studienkosten. Im Gegenzug vereinbaren viele Einrichtungen eine vertragliche Bindung: Wer früher kündigt, soll das Studium anteilig zurückzahlen. Doch genau eine solche Rückzahlungsklausel war jetzt Gegenstand eines Rechtsstreits, der in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Hamm landete. Das Urteil ist für die gesamte PA-Profession von Bedeutung und könnte künftige Verträge deutlich verändern.
Der konkrete Fall: PA-Studium mit Arbeitgeberfinanzierung
Ein Arbeitnehmer nahm von Oktober 2020 bis August 2023 an einem berufsbegleitenden Bachelorstudiengang „Physician Assistant“ teil und arbeitete während des Studiums bei in einem Klinikum, wo er zuvor bereits als Notfallsanitäter angestellt war. Die Kosten für das Studium übernahm das Klinikum (Arbeitgeber) – insgesamt rund 38.944 Euro. Enthalten waren neben den Studien-, Einschreibe- und Prüfungsgebühren auch die Vergütung während der Praxisphasen, die der Arbeitgeber finanzierte.
Zur Absicherung seiner Investition hatte der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer eine sogenannte Weiterbildungsvereinbarung geschlossen. Darin war geregelt, dass der Arbeitnehmer die Studiumskosten anteilig zurückzahlen müsse, sollte er innerhalb von 36 Monaten nach Studienabschluss auf eigenen Wunsch kündigen. Der Rückzahlungsbetrag reduzierte sich dabei monatlich.
Die Kündigung und die Rückforderung
Nur etwa drei Monate nach Abschluss des Studiums kündigte der Arbeitnehmer. Er begründete seine Entscheidung mit einer Überlastung am Arbeitsplatz, was in der Praxis durchaus passieren kann – gerade in Einrichtungen, die personell knapp besetzt sind oder eine unklare Rollenverteilung haben.
Der Arbeitgeber forderte daraufhin gemäß der Rückzahlungsklausel rund 29.124,48 Euro zurück, also den größten Teil der Studienkosten. Der Fall landete zunächst vor dem Arbeitsgericht Herne. Dieses sprach dem Arbeitgeber einen Teilbetrag von 17.334,19 Euro zu. Beide Parteien legten gegen das Urteil Berufung ein.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm: Rückzahlungsklausel ist unwirksam
Das Landesarbeitsgericht Hamm (Az. 1 SLa 21/25) wies die Klage des Arbeitgebers in zweiter Instanz ab. Es erklärte die Rückzahlungsklausel für unwirksam, mit einer deutlichen Begründung: Die Vertragsklausel benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen und verstoße gegen das Gebot von Treu und Glauben (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Insbesondere sei sie zu undifferenziert und schränke das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG) unzulässig ein.
Der zentrale Kritikpunkt: Die Rückzahlungspflicht wurde in der Vereinbarung pauschal an jede Eigenkündigung innerhalb der 36 Monate geknüpft, unabhängig von den Gründen. Wörtlich war von einer Rückzahlungspflicht „auf Wunsch“ des Mitarbeiters die Rede, was laut Gericht bedeutet, dass selbst eine Kündigung aufgrund erheblicher Arbeitsbelastung oder anderer nachvollziehbarer Umstände automatisch zur Rückzahlung führe. Das sei mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar.
Was bedeutet das für Physician Assistants?
Für viele Physician Assistants ist das Urteil eine wichtige Entscheidung, denn es betrifft ein weit verbreitetes Modell: Das berufsbegleitende Studium mit finanzieller Unterstützung des Arbeitgebers. In der Praxis gehen solche Förderungen oft mit Rückzahlungs- oder Bindungsklauseln einher – doch diese müssen sorgfältig und rechtssicher formuliert sein.
Für PA-Studierende bedeutet das: Wer ein solches Angebot erhält, sollte die Rückzahlungsklauseln genau prüfen. Pauschale Formulierungen, die jede Form der Eigenkündigung sanktionieren, sind kritisch zu hinterfragen. Besonders wichtig ist, ob Ausnahmen vorgesehen sind – etwa bei gesundheitlichen Gründen, Überlastung oder anderen unverschuldeten Umständen.
Für Arbeitgeber ergibt sich daraus ein klarer Handlungsbedarf: Rückzahlungsklauseln müssen rechtssicher und differenziert formuliert sein. Wer in die Ausbildung von PAs investiert, sollte auf individuell angepasste Vereinbarungen setzen, die zwischen verschiedenen Kündigungsgründen unterscheiden und eventuell auch eine Rückzahlungsstaffel über die Bindungszeit vorsehen. Nur so lässt sich verhindern, dass solche Vereinbarungen vor Gericht scheitern.
Fazit: Ein Urteil mit Signalwirkung für die PA-Profession
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm stärkt die Rechte von Arbeitnehmer:innen und damit auch die Position von Physician Assistants. Es macht deutlich, dass Rückzahlungspflichten nicht pauschal geregelt werden dürfen. Das ist nicht nur juristisch relevant, sondern auch für das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und PAs von Bedeutung.
Ein transparenter, fairer und realistischer Umgang mit Förderungen und Bindungsklauseln kann die Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten verbessern und gleichzeitig die wachsende Profession der PAs stärken. Denn wer in die Qualifikation investiert, sollte auch die Rahmenbedingungen schaffen, unter denen diese Qualifikation langfristig wirksam werden kann – nicht durch Zwang, sondern durch gute Arbeit, Wertschätzung und Entwicklungsperspektiven.
Quelle: LAG Hamm vom 13.6.2025 – 1 SLa 21/25