Lange Zeit bekam man einen Platz in dem Studiengang Physician Assistant (PA) nur durch eine medizinische Vorausbildung verbunden mit einer Hochschulreife oder einer 3-jährigen Berufserfahrung. Immer mehr Hochschulen ermöglichen Interessenten, sich ohne Ausbildung, aber mit Hochschulreife und teils örtlichem NC, zu bewerben.
Die Meinungen zu diesen Voraussetzungen, ob eine Vorausbildung notwendig ist und ob sie einen Vorteil bringen, gehen auseinander.
Zwei Studierende im zweiten Semester der Technischen Hochschule Deggendorf erzählen von ihren Erfahrungen, wie es ist, mit und ohne Ausbildung in das Studium zu starten.
Hallo Conny (26 J.), du bist mit einer Ausbildung in das PA Studium gestartet und bist im zweiten Semester. Wie bist du auf das Studium aufmerksam geworden?
Es gibt bereits Gefäßassistenten/innen und einen Physician Assistant im Krankenhaus, wo ich gearbeitet habe. Außerdem wurden 2020 die ersten PA´s in Ausbildung, während eines berufsbegleitenden Studiums, dort angestellt. Ich habe viel im Internet recherchiert, wobei es fast nur private Anbieter in der Nähe gab. Eine Pflegedienstleitung hatte mich zufällig auf die THD (Technische Hochschule Deggendorf) hingewiesen, also, dass diese ab 2021 den Studiengang in Vollzeit anbiete und on top auch noch ohne Studiengebühren. Ich habe mich sofort beworben.
Welche Ausbildung hast du vorher abgeschlossen?
Ich bin examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin seit 2016.
Wie sah Dein Alltag in deiner Ausbildung bzw. im Job aus?
Zwei Worte: Stress und Schichtarbeit.
Als ich meine Ausbildung abgeschlossen habe, war ich mir sicher, dass ich bei diesem Beruf verbleibe. Die Pflege an sich macht mir immer noch sehr viel Spaß, deshalb arbeite ich nebenbei noch im Altenheim. Doch der Personalmangel, die Schichtarbeit, die Unzufriedenheit der Patienten und Angehörigen und die zunehmende Bürokratie haben mir damals die Freude an meinem Beruf genommen. Eine Vollzeittätigkeit in diesem Beruf, und das bis zur Rente, erschien mir immer mehr als unrealistisch. Auch die Tatsache, dass die Ärzte unterbesetzt sind, ist eine Belastung für die Pflege. Die Pflege muss dadurch so viele unnötige Kontrollaufgaben erledigen. Auch muss man die Patienten und Angehörigen oft besänftigen und darf rein rechtlich nicht viel über medizinische Dinge aussagen. Daran habe ich gemerkt, dass dringend eine Assistenz hermuss.
Um auch etwas Positives zu sagen: Es war nicht immer stressig. Es gibt auch ruhige Tage, wo man zufrieden aus der Arbeit rausgeht. Außerdem macht es Spaß in einem großen und vielseitigen Team zu arbeiten. Das Gefühl heute jemanden geholfen zu haben, hilft einen sehr einen Sinn in seiner Tätigkeit zu sehen.
Warum hast du dich für das PA Studium entschieden?
Nach meiner Ausbildung zur examinierten Gesundheits- und Krankenpflegerin habe ich auf einer geteilten Station gearbeitet. Zum einen Innere Medizin und zum anderen Gefäßchirurgie. Auf der Gefäßchirurgie gibt es sogenannte Gefäßassistenten/innen. Mir ist nach kurzer Zeit aufgefallen, dass die Abteilung mit Arztassistenz viel besser organisiert ist, sei es bezüglich der Arztbriefe oder der Behandlung, was natürlich mit einer höheren Patientenzufriedenheit einher geht. Nachdem ich mich nach zwei Jahren Vollzeittätigkeit entschlossen habe mein Abitur auf der BOS (Berufsoberschule) nachzuholen, wollte ich natürlich wie so viele von unserem Studiengang, Medizin studieren. Allerdings sind die Aufnahmebedingungen in Deutschland sehr streng und ich wollte nicht mehr so lange Student und ohne Einkommen sein. Außerdem war es mir wichtig nicht sehr weit von zuhause entfernt zu sein. Da bot sich die THD mit ihrem neuen Studiengang regelrecht an.
Was erhoffst du dir vom PA Studium?
- Geregelte Arbeitszeiten (keine Schichtarbeit), Wochenende und Feiertage frei, eventuell gelegentliche Bereitschaftsdienste
- geistig anspruchsvolle Tätigkeit mit Weiterbildungspotential
- mehr Verantwortung und Entscheidungs- sowie Aussageberechtigung
- Etablierung des neuen Berufsbildes und Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung erhöhen
Lange Zeit war der Zugang zu einem Studienplatz nur mit einer Hochschulzugangsberechtigung in Kombination mit einer Ausbildung im medizinischen Bereich oder nur mit einer Ausbildung und einer 3-jährigen Berufserfahrung möglich.
Hat dir deine Ausbildung im ersten und zweiten Semester einen inhaltlichen Vorteil gebracht?
Ja und Nein, denn aufgrund meines Alters, tue ich mich in mancher Hinsicht schwerer mit dem Lernen. Gründe dafür sind familiäre Verpflichtungen, der Wunsch nach finanzieller Unabhängigkeit, mehr Eigenverantwortung und geringere Ausdauer.
Aber mal zum Lernen an sich. In der Pflegeausbildung hat man die Fächer Anatomie und Physiologie auch. Anfangs ist dies eine kleine Hilfe, aber nur für die Grundlagen, denn hier im Studium lernt man alles viel ausführlicher. Die Terminologie, also die Fachsprache, fällt mir allerdings sehr leicht, weil man durch das Arbeitsleben viele Verknüpfungen zu diesen Begriffen hat und sie auch regelmäßig angewendet hat. Histologie war völlig neu, da denke ich, war es egal, ob Ausbildung oder nicht.
Fächer, wie Biochemie, Molekularbiologie und naturwissenschaftliche Grundlagen sind mir anfangs sehr schwergefallen. Vor allem Biochemie, da ich in der BOS, aufgrund von Corona, nur ein abgespecktes Chemie hatte. Somit lag Chemie aus der Realschule 10 Jahre zurück. Meiner Meinung nach sollte es für die nächsten Erstis einen Vorbereitungskurs dafür geben.
Im modulspezifischen Seminar gab es Dinge, die ich natürlich schon konnte, wie Blutdruck oder Blutzucker messen, aber auch Dinge, die ich nicht konnte, wie Auskultation von Herz oder Lunge.
Im Fach Kommunikation und Gesprächsführung sehe ich einen kleinen Vorteil, weil ich schon zu genüge mit Patienten oder Patientinnen kommuniziert habe. Die Theorien muss ich, fast alle, aber trotzdem neu lernen.
Im Fach Statistik handelt es sich um einen Selbstlernkurs, welcher sehr mathelastig ist. Dazu kommt noch wissenschaftliches Arbeiten. Hätte ich mein Abitur nicht erst kürzlich geschrieben, hätte ich meiner Meinung nach schon einen Nachteil. Für Leute ohne Abitur ist viel Neues dabei, allerdings kann man dies mit viel Fleiß genauso gut schaffen. Hier muss ich sagen fände ich das Angebot eines Vorkurses ebenfalls sehr sinnvoll.
Hätte es deiner Meinung nach einen grundlegenden Unterschied gemacht, ohne eine Ausbildung in das Studium zu starten?
Einen grundlegenden Unterschied nicht, aber ich wäre mir viel unsicherer gewesen bezüglich der Praxis. Ich bin schon sehr froh darüber schon eine Ausbildung und damit eine gewisse Sicherheit zu haben.
Im Großen und Ganzen finde ich aber, dass jeder dieses Studium gut absolvieren kann, wenn er oder sie motiviert ist.
Hallo Christina (19 J.), du bist ohne Vorausbildung in das PA Studium gestartet und bist aktuell im zweiten Semester. Wie bist du auf das Studium aufmerksam geworden?
Da ich zuhause bereits seit einiger Zeit beim BRK (Bayerisches Rotes Kreuz) tätig bin und mich sehr für den medizinischen Bereich interessiere, habe ich nach einem passenden Studiengang in dieser Richtung gesucht und bin durch Zufall auf Physician Assistants aufmerksam geworden.
Warum hast du dich für das Physician Assistant Studium entschieden?
Ich habe kein Medizinstudium angestrebt, aber dennoch nach einer ähnlichen Alternative gesucht und diesen Studiengang für mich entdeckt.
Seit kurzem ist es für Bewerber ohne Vorausbildung, aber mit Hochschulzugangsberechtigung und örtlichem NC möglich, einen Studienplatz zu bekommen.
Wie hast Du den Studienbeginn ohne Vorausbildung empfunden?
Ich hatte keine weiteren Schwierigkeiten, da mit dem gesamten Stoff ganz am Anfang begonnen wurde und man gut mitgekommen ist.
Würdest du sagen, dass Dir eine Vorausbildung einen inhaltlichen Vorteil im ersten und zweiten Semester verschafft hätte?
Grundsätzlich kann es nie Schaden bereits Kenntnisse mitzubringen, es ist aber auch ohne Vorkenntnisse überhaupt kein Problem, da alles erneut gemacht bzw. wiederholt wird.
Hätte es Deiner Meinung nach einen grundlegenden Unterschied gemacht, mit einer Ausbildung in das Studium zu starten?
Nein, überhaupt nicht. Man lernt hier alles was man später mal benötigt und muss sich nichts selbst beibringen.
Es war sehr interessant Euch beiden zuzuhören und einen Einblick in Eure Erfahrungen im PA Studium zu kriegen. Ich wünsche Euch beiden noch viel Erfolg im weiteren Verlauf Eures Studiums.