In diesem Interview berichtet Sebastian aus der Hepatologie am Universitätsklinikum der LMU in München von seinem Berufseinstieg und seiner Tätigkeit in der Transplantationsambulanz.
Direkt nach dem Abitur begann er sein PA-Studium an der OTH Amberg-Weiden und fand früh den Weg in die hochspezialisierte Transplantationsmedizin. Dort begleitet er Patient:innen vor und nach Lebertransplantationen, ist in der Sprechstunde aktiv eingebunden und übernimmt zunehmend Verantwortung in der interdisziplinären Versorgung.
Er schildert, wie er sich auf seine Rolle vorbereitet hat, welche Herausforderungen die Arbeit in einem spezialisierten Bereich mit sich bringt und welche Fähigkeiten für eine erfolgreiche Tätigkeit als PA entscheidend sind. Seine Einblicke zeigen, wie vielseitig und verantwortungsvoll die Arbeit als PA in der Hochschulmedizin sein kann.
Warum hast du dich für das Studium zur Physician Assistant entschieden?
Ich habe mich während der Oberstufe frühzeitig nach Alternativen zum Medizinstudium umgesehen und bin dabei über die Berufsberatung der Arbeitsagentur an meiner Schule auf das Studium zum Physician Assistant gestoßen und habe mich sehr für das Konzept interessiert. Ich habe dann direkt nach dem Abitur zum Wintersemester 2020/21 begonnen zu studieren.
An welcher Hochschule hast du studiert und warst du zufrieden mit dem Studium?
Studiert habe ich an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden. Im Allgemeinen war ich zufrieden mit dem Studium. Insbesondere durch den Wechsel unseres damaligen Studiengangsleiters und einigen weiteren personellen Anpassungen hat sich das Studium im Verlauf immer besser weiterentwickelt und ist mittlerweile auf einem sehr guten Niveau.
Fühltest du dich gut vorbereitet auf deine jetzige Tätigkeit?
Ich bin seit Anfang Dezember 2024 am Universitätsklinikum der LMU in München (Campus Großhadern) in der Hepatologie angestellt und arbeite den Großteil meiner Zeit in der Transplantationsambulanz. Die Hepatologie und die Transplantationsmedizin im Speziellen sind sehr spezifische Bereiche die im PA-Studium nur minimal angeschnitten werden. Der Alltag in der Ambulanz ist jedoch sehr vielfältig und es wird nahezu das ganze Spektrum der Inneren Medizin benötigt. Meiner Meinung nach vermittelt das PA-Studium hierfür die Grundlagen über die wichtigsten Erkrankungen, welche häufig die Transplantationsdikationen darstellen und es liefert einen guten Gesamtüberblick über die wichtigsten Teilgebiete der Inneren Medizin. Für ein tieferes Verständnis ist darüber hinaus Eigeninitiative notwendig, um in einen solch spezialisierten Bereich schnell Fuß zu fassen. Man lernt jedoch durch diese starke Spezialisierung schnell worauf es ankommt und entwickelt ein gewisses Verständnis für die Abläufe. Einen mindestens so großen Anteil an Aufwand spielt das Verständnis für den Ablauf bzw. die Organisation und die rechtlichen Grundlagen der Lebertransplantation, welche häufig eine noch viel größere Herausforderung darstellen als das Erlernen medizinischer Inhalte, die sich mit der Zeit durch Erfahrungswerte aneignen lassen.
Rückblickend hätte vermutlich bezüglich einiger Module im Studium eine andere Priorisierung stattfinden können, da gewisse Inhalte im späteren Berufsleben relevanter sind als andere.
Wie kamst du zu deiner aktuellen Stelle?
Es gab im Frühjahr 2024 eine Stellenausschreibung in der Hepatologie der LMU, auf welche ich durch einen Online-Jobportal aufmerksam geworden bin. Ich habe mich anschließend frühzeitig für die Stelle beworben und wurde dann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Im Anschluss habe ich dann noch einen Tag hospitiert und mich dann dazu entschlossen das Angebot gerne anzunehmen.
Wie sieht dein normaler Arbeitsalltag aus?
Ich arbeite aktuell Montag bis Freitag, von 8 bis circa 16:30 Uhr. Der Tag beginnt um 8:00 Uhr mit einer (radiologischen) Frühbesprechung in der Patientenbilder vom Vortag gezeigt und diskutiert werden und die Möglichkeit besteht, selbst radiologische Aufnahmen von eigenen Patienten demonstrieren zu lassen. Die Arbeit in der Ambulanz beginnt meist zwischen 8:30 Uhr und 9:00 Uhr, wobei ich mir zunächst die Krankheitsgeschichte aller Patienten die im Tagesverlauf erscheinen sollen einmal kurz anschaue. Im Anschluss beginnt die Sprechstunde, die ich im Verlauf der Woche aktuell mit zwei Oberärzten einer Fachärztin und einer Assistenzärztin durchführe. Im Optimalfall versuchen wir dabei, wenn es die räumlichen Gegebenheiten erlauben, parallel zu arbeiten. Das bedeutet ich sehe die Patienten eigenständig, erhebe die Anamnese, erfasse die Medikation, führe wenn nötig eine körperliche Untersuchung durch, schlage eventuelle Anpassungen der Medikation vor, bestimme Laborparameter und bespreche mit den Patienten die letzten Laborbefunde und das weitere Vorgehen.
Im Anschluss werden die Patienten noch einmal kurz oberärztlich bzw. fachärztlich gesehen und mein Vorgehen vidiert oder ggf. ergänzt. In der Ambulanz sehen wir dabei sowohl Patienten nach einer Lebertransplantation im Rahmen ihrer Nachsorge, als auch jeden Donnerstag Patienten die aktiv auf der Warteliste für eine Leber geführt werden und zu regelmäßigen Statuserhebungen erscheinen. Nach Abschluss der Sprechstunde verfasse ich für die Patienten Arztbriefe oder einen kurzen Verlaufseintrag im PC. Nachmittags sichte ich die Labore der Patienten und halte kurz Rücksprache mit meinem zuständigen Oberarzt oder zuständigen Oberärztin, ob Anpassungen insbesondere der Immunsuppressiva vorgenommen werden müssen. Sollte das der Fall sein, informiere ich die Patienten darüber noch telefonisch. Außerdem sichte ich die externen Labore, die von Hausärzten an das Transplantationszentrum zur Kontrolle verschickt werden oder Anfragen von Patienten für eine Zweitmeinung oder externe Kliniken, die Patienten zur stationären Evaluation einer Lebertransplantation vorstellen möchten.
Besonders Spaß an der Arbeit in der Ambulanz macht der tägliche Austausch und die Kommunikation mit den Patienten. Durch die immer wiederkehrenden Patienten baut man eine sehr enge Verbindung zu diesen auf und ist ein konstanter Ansprechpartner bei den Wiedervorstellungen und langfristig für in die Ambulanz rotierende Kollegen.
Konntest du die praktischen Fähigkeiten bereits vor Antritt der Stelle oder wurden sie dir beigebracht?
Einige berufsgruppenübergreifende praktische Tätigkeiten, wie z.B. das Legen von Venenverweilkanülen oder Blutabnahmen habe ich bereits vor meinem Start in der Ambulanz beherrscht. Neu erlernen musste ich insbesondere die Art und Weise der Anamneseerhebung und der generellen Gesprächsführung mit den transplantierten Patienten, da ich denke, dass es bei diesen Patienten im Vergleich zum „normalen“ Patientenkollektiv einige Besonderheiten gibt. Hierbei konnte ich mir jedoch schon einiges von erfahrenen Kollegen aneignen und lerne eigentlich immer noch dazu. Ansonsten spielen andere interventionelle oder diagnostische Tätigkeiten (z.B. Aszitespunktion, Abdomensonographie) in der Ambulanz eine eher untergeordnete Rolle bzw. werden in anderen Bereichen der Klinik durchgeführt.
Langfristig ist mit Sicherheit ein großes Ziel soweit wie möglich eigenständig zu arbeiten und eine feste Konstante für Patienten und das Personal in der Transplanationsambulanz zu werden. Auch meine praktischen Fähigkeiten möchte ich noch weiter ausbauen, um ein breites Spektrum an möglichen Tätigkeiten übernehmen zu können und bin gespannt was sich hier zukünftig ergibt.
Gibt es Aufgaben die du außerhalb deiner Routinetätigkeiten erledigst?
Neben der Durchführung der Sprechstunden in der Ambulanz betreue ich gemeinsam mit einer Fachärztin die Wartelistenpatienten. Hierbei geht es vor allem ein Stück weit darum den Überblick darüber zu behalten, wann Patienten zu Kontrolluntersuchungen einbestellt werden müssen, ob Staginguntersuchungen oder Verlaufskontrollen (z.B. ÖGD bei Ösophagusvarizen) geplant werden müssen oder welche Patienten auf der Warteliste aktuell stationär behandelt werden. Für die Zukunft haben wir aktuell eine Transplantationsvisite begonnen, um die frisch transplantierten Patienten in regelmäßigen Abständen nach der OP internistisch zu beurteilen und den Behandlungsverlauf nachvollziehen zu können, bevor die Patienten nach Entlassung an die Ambulanz angebunden werden.
Eines der Highlights ist zudem die Transplantationskonferenz, die immer mittwochs Nachmittag stattfindet und sich interdisziplinär aus Behandelnden der Transplantationschirurgie, der Anästhesie, der Hepatologie und der Psychosomatik zusammensetzt. Inhaltlich werden neue Entwicklungen der Wartelistenpatienten besprochen, Patienten neu auf die Warteliste aufgenommen und der Verlauf von bereits transplantierten Patienten diskutiert.
Welche Qualifikationen sind deiner Meinung nach wichtig für einen Physician Assistant?
Neben den absolut grundlegenden Tätigkeiten (z.B. Blutabnahmen, VVKs legen, körperliche Untersuchung…), die jeder PA beherrschen sollte, gibt es meiner Meinung nach keine Qualifikationen, die ein PA unbedingt vorweisen muss. Abhängig vom Einsatzbereich und Fachgebiet können alle Tätigkeiten erlernt werden. Hinsichtlich persönlicher Qualifikationen benötigt man eine gewisse Einsatzbereitschaft und Offenheit sich neue Dinge aneignen zu wollen und die Aufmerksamkeit von erfahrenen Kollegen zu lernen.
Wie kam das Berufsbild bei anderen Berufsgruppen an?
Über alle Berufsgruppen hinweg habe ich eigentlich nur positives Feedback erhalten und habe bis jetzt keine negativen Erfahrungen gemacht. An der ein oder anderen Stelle musste ich meine Position und Aufgaben kurz erklären, habe aber auch in diesen Situationen keine negative Resonanz erhalten.
Strebst du einen Masterstudiengang an?
Aktuell strebe ich keinen Masterstudiengang an, da ich durch diesen Abschluss im Moment noch keinen eindeutigen Vorteil sehe. Ich bin jedoch sehr offen bei einem entsprechend gut strukturierten Masterstudiengang den Abschluss in der Zukunft noch zu ergänzen.
Hast du eine Zukunftsvision für das Berufsbild?
In 10 Jahren weiß hoffentlich nahezu jeder was ein PA ist und was er kann und darf. Besonders für letzteres wird es wohl einen generalisierten Studienablauf mit einem einheitlichen Abschluss über alle Universitäten hinweg geben müssen. Außerdem wäre es ein gutes Zeichen, wenn bis dahin ein Großteil der Kliniken in Deutschland mindestens einen PA angestellt hat oder zumindestens über das Berufsbild informiert ist und seine Einsatzmöglichkeiten kennt. Einer der größten Vorteile des PA wird immer die Konstante in einem fest bestehenden Team sein. Wenn diese Zusammenarbeit über Jahre bestehen bleibt kann ein PA für die Abteilung unverzichtbar werden. Auch hinsichtlich der Vergütung wäre bis dahin ein eigener Tarifvertrag für PAs natürlich wünschenswert.
Welche Empfehlung kannst du PA-Studierenden geben?
Ich denke, dass durch die steigende Anzahl an abgeschlossenen und fest angestellten PAs die Studierenden mit ganz anderen Voraussetzungen zukünftig in den Beruf starten können. Trotzdem ist meiner Meinung nach häufig ein gewisser Mut und Eigeninitiative notwendig, um aufzuzeigen welche Tätigkeiten übernommen werden können und wie dadurch ein Vorteil für das Team entsteht. Zudem ist es sinnvoll dem ganzen Prozess der Implementierung Zeit zu geben und das Tätigkeitsprofil mit der Zeit weiterzuentwickeln und auszubauen, allerdings auch klar anzusprechen, wenn der Einsatz des PA nicht den Vorstellungen oder Erwartungen entspricht.