Im Interview: Physician Assistant in einer kardiologischen Praxis

Im Interview - Physician Assistant in einer kardiologischen Praxis

Im Interview stellen wir euch Lisa vor, eine examinierte Physiotherapeutin, die sich nach ihrer Ausbildung für ein Bachelorstudium zum Physician Assistant entschieden hat. Ihr Studium absolvierte sie an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe, und fing anschließend in einer kardiologischen Praxis als PA an. Im Verlauf des Interviews wird sie über ihren beruflichen Werdegang und ihre Tätigkeiten in der kardiologischen Praxis berichten.

Warum hast Du Dich für das Studium zum Physician Assistant entschieden?

Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Physiotherapeutin gemacht. Während der Ausbildung waren wir viel in der Klinik eingesetzt. Ich habe während meinen Therapieeinheiten gemerkt, dass ich z.B. u.a. die Visiten sehr spannend und interessant fand. Dabei habe ich gemerkt, dass mein medizinisches Wissen und meine praktischen Fähigkeiten auf jeden Fall noch ausbaufähig sind. Ich habe von dem Studium erfahren, mich belesen und mich entschieden, es im direkten Anschluss an die abgeschlossene Ausbildung zu beginnen.

An welcher Hochschule hast du studiert und warst Du zufrieden mit dem Studium?

Ich habe an der DHBW in Karlsruhe studiert. Mit den Inhalten des Studiengangs war ich sehr zufrieden. Man hat breitgefächert medizinische Inhalte erlernt. Während den Praxisphasen konnte das erlernte Wissen vertieft und ausgeübt werden. Allgemein war das Studium sehr abwechslungsreich aufgebaut. Auch die interdisziplinäre Dozentenauswahl, bestehend aus Ärzten, PAs und weiteren Lehrkräften aus anderen Fachbereichen, hat den interessanten Vorlesungsinhalten einen besonderen Charakter verliehen.

Fühltest du dich gut vorbereitet auf Deine jetzige Tätigkeit? 

Tatsächlich muss ich sagen, dass mir der Studiengang bisher zu klinikorientiert gelehrt wird. Ich arbeite seit Ende 2022 im ambulanten Bereich, um es genauer zu nennen, in einer kardiologischen/ internistischen Praxis. Die meisten Fähigkeiten und Kenntnisse musste ich mir zu Beginn im praktischen Alltag aneignen. Das ist zwar bei einem Berufseinstieg meistens der Fall, allerdings haben mir medizinische Informationen z.B. was die hausärztliche Versorgung angeht, im Studium eindeutig gefehlt. Diese Inhalte gehören sowie viele Weitere des ambulanten Sektors zum Studienmodell mit dazu.

Wenn nein, welche Inhalte hättest Du Dir noch gewünscht?

Wie eben bereits kurz erläutert, hätte ich mir z.B. folgende Themen als Studieninhalte ergänzend vorstellen können: Impfungen, Abrechnungsziffern, Labordiagnostik (mehr als nur die Basisparameter), Praxismanagement. Man könnte den ambulanten Bereich z.B. auch als Wahlfach oder Ähnliches gestalten. 

Wie kamst Du zu Deiner aktuellen Stelle und wie gelang Dir der Start ins Berufsleben?

Die Praxis, in der ich jetzt arbeite, ist auf dem Klinikgelände, in der ich bereits das Studium absolviert habe. Die Klinik ist eine Sportklinik, weshalb ich den größten Anteil meiner Praktika orthopädisch gemacht habe. Während des Studiums habe ich bereits mein verstärktes Interesse an der Inneren Medizin festgestellt. Deshalb kam der interne Wechsel zum Berufseinstieg sehr gelegen. 

Wir behandeln in der Praxis unabhängig von der Klinik externe Patienten und betreuen zudem die orthopädischen Patienten der Klinik prä- und postoperativ.

Da ich sowohl meine Kollegen, als auch meinen Chef bereits aus der Studienzeit kannte, war der persönliche Einstieg natürlich sehr angenehm. 

Wie sieht Dein normaler Arbeitsalltag aus?

Ich arbeite durchschnittlich täglich von 7:30 Uhr bis 16:30 Uhr. Im Praxisalltag habe ich keine Schichtdienste. Zu meinen täglichen Aufgaben in der Praxis gehören: die Aufnahme von Neupatienten, Anamnese bei Kontrollvorstellungen, EKGs schreiben und befunden, Messung der Vitalzeichen, Blutabnahmen, Anlegen und Auswerten von Langzeit-EKGs und Langzeit-Blutdruckmessungen, Durchführung und Bewertung von Ergometrien und Lungenfunktionstests, Durchführung und Beurteilung von arteriellen Blutgasanalysen, Urintestungen, Impfungen vorbereiten und durchführen. Auch das Schreiben von Arztbriefen gehört zu meinem Arbeitsalltag. Echokardiographien, orientierende Abdomensonographien und die Duplexsonographie der Karotiden machen wir besonders viel Spaß, hierbei bin ich aktuell noch stetig am Lernen.

Konntest Du die praktischen Fähigkeiten bereits vor Antritt der Stelle oder wurden Sie Dir beigebracht?

Einzelne Tätigkeiten, wie z.B. Blut abnehmen habe ich natürlich schon vor meinem Arbeitsantritt erlernt gehabt. Auch die Basics aus einem EKG konnte ich ablesen. Allerdings muss ich sagen, dass ich sämtliche praktische Fähigkeiten bezüglich Sonographie, Auswertungen von LZ-Messungen und Ergometrien uvm. erst während des Praxisalltags erlernt habe. 

Seit meinem Beginn in der Praxis 12/2022 ist bisher ein enormer Lernfortschritt zu verzeichnen. EKGs befunden kann ich z.B.  mittlerweile deutlich sicherer. 2023 habe ich eine Fortbildung in der Notfallsonographie gemacht, was zu mehr Sicherheit beim Ultraschall geführt hat. Seitdem übe ich stetig und bin motivierter neue Dinge zu erlernen. Die Langzeitmessungen kann ich mittlerweile sicher auslesen und befunden. Auch eine Ergometrie durchzuführen muss gelernt sein, auch hier muss man z.B. das Auftreten von ventrikulären Tachykardien erkennen können. 

Mein Ziel ist es noch dieses Jahr eine Fortbildung für die Duplexsonographie der Karotiden zu machen, um diese bald eigenständig durchführen zu können. 

Welche Qualifikationen sind deiner Meinung nach wichtig für einen PA?

Meiner Meinung nach sind verschiedene Fähigkeiten für einen PA wichtig. Dazu gehört unter anderem eine hohe Kommunikationsfähigkeit. Man sollte seine Position kennen und diese gut einsetzen können. Dazu ist der richtige Umgang mit allen beteiligten Arbeitsgruppen notwendig. Man arbeitet mit dem ärztlichen Team zusammen, jedoch ist man gleichzeitig eine Schnittstelle zwischen so vielen Bereichen. 

Man sollte ein souveränes Auftreten vermitteln, das Vertrauen sowohl zu Kolleg*innen als auch zu Patient*innen herstellt. Ein solides medizinisches Grundwissen sollte bestehen. Meiner Meinung nach ist Motivation, um täglich weiter dazu zu lernen essentiell. 

Zudem ist der Patientenumgang sehr wichtig. Der Patient/ die Patientin soll sich stets gut betreut fühlen und steht im Vordergrund. Hierfür ist sowohl Empathie notwendig, als auch ein zuverlässiges Arbeiten. 

Zur Qualifikation eines PAs gehört auch eine realistische Selbsteinschätzung und das Erkennen der eigenen Grenzen. Es ist wichtig zu erkennen was man kann/ sich zutraut und wobei man Hilfe benötigt. Es ist wichtig, die Hilfe aktiv anzufragen und einzufordern.

Gibt es Aufgaben die du außerhalb deiner Routinetätigkeiten erledigst?

Bisher habe ich einige PA Hospitationen in unserem Haus übernommen. Ich finde es sehr wichtig den Einblick in den PA Alltag, vor allem aktuell im ambulanten Bereich, zu ermöglichen und das Berufsbild zu verbreiten. Das Berufsbild des Physician Assistant kann neben dem klinischen Einsatz auch für den ambulanten Sektor eine enorme Entlastung/ Bereicherung sein.

Neben meiner Tätigkeit in der Praxis, habe ich Anfang des Jahres eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin begonnen. Auch hierfür nützt mir mein medizinisches Fachwissen, dass ich während der Arbeit als PA immer weiter ausbaue.

Wie kam das Berufsbild bei anderen Berufsgruppen an?

Bisher wurde das Berufsbild am Anfang häufig skeptisch betrachtet. Meiner Erfahrung nach aber häufig aufgrund von Unwissenheit. Sobald man das Berufsbild erläutert hat, die Funktionen erklärt hat und Ideen aufgezeigt hat, wie man einen PA im Alltag integrieren kann, wurde die Ansicht/ Einstellung diesbezüglich positiv. Auch hier spielt meiner Meinung nach die eigene Kommunikationsfähigkeit erneut eine große Rolle. 

Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen, wie er das Berufsbild schafft zu integrieren. Natürlich sind einem ab einem gewissen Grad die „Hände gebunden“, aber durch Ideen und Lösungsvorschläge einbringen, kann das Berufsbild meiner Meinung nach individuell vorangebracht werden.

Strebst Du einen Masterstudiengang an?

Ich überlege schon länger einen Master Abschluss zu machen. Jedoch habe ich für mich noch keinen passenden Masterstudiengang gefunden. Ich finde es im ambulanten Sektor bisher noch sehr schwierig ein passendes Studienmodell zu finden, da die Auswahl natürlich auch noch sehr begrenzt ist. Ich möchte auf jeden Fall für die Zukunft breit aufgestellt sein, was z.B. Praxismanagement, Personalführung betrifft, um den Einsatz von PAs im ambulanten Sektor voranzutreiben und zu unterstützen. Ob ich dies durch einen Masterstudiengang oder sonstige Fortbildungen erzielen möchte, ist aktuell noch offen.

Hast Du eine Zukunftsvision für das Berufsbild? 

Für mich hat das Berufsbild des Physician Assistant ein enormes Potential was den Einsatz im medizinischen Bereich anbelangt. Im Gesundheitswesen wird häufig nach einer Lösung  für den bestehenden Ärztemangel gesucht und meiner Ansicht nach ist dieses Berufsbild eine Lösung. Die Qualität der Versorgung kann weiterhin aufrechterhalten werden, da qualifiziertes geschultes Personal ärztliche Tätigkeiten ausübt. 

Auch im ambulanten Sektor kann ich mir PAs in Praxen als führende Köpfe vorstellen. Wenn ein Arzt beispielsweise noch eine zweite Praxis hat, kann der PA in der zweiten Praxis sitzen und delegierte Tätigkeiten ausführen ohne dass der Arzt anwesend ist (so zumindest in meiner privaten Zukunftsvision ☺).

Welche Empfehlung kannst Du PA-Student*innen geben?

Immer nachfragen, traut euch Dinge zu, steht zu dem (noch) neuen Berufsbild, verbreitet es weiter, nur so können wir selbst dazu beitragen, dass es langfristig gesehen von allen anerkannt wird und es sich genauso integriert, wie jeder andere Beruf auch.

Hier erfährst Du mehr über Physician Assistants in der ambulanten Versorgung.
In unserem Podcast berichtet Chiara über ihr Praktikum in einer kardiologischen Praxis auf Mallorca.

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